Rückblickend stehen die Jahre 2020 und 2021 aus meiner Sicht für Pandemie, Corona-Virus, Krise, globale Zusammenhänge, Chaos, Angst, Ungewissheit, Verunsicherung und Stillstand. Sie stehen aber auch für Veränderung, Anpassung, Umdenken, Neuentdeckung, Aufbruch, zur Ruhe kommen und Dankbarkeit.
Ich habe in diesen beiden Jahren keinen einzigen Blogartikel geschrieben. Warum, kann ich gar nicht genau sagen. Die neue Situation hat meine Planung und mein Leben komplett durcheinandergebracht und den Fokus verschoben. Ich fühlte mich immer wieder wie im Reset-Modus, habe versucht mich neu zu orientieren, Dinge zu verwerfen und neu zu erfinden.
Und was hat diese Zeit mit meinem Lauftraining, meinen Laufambitionen und meinem großen Laufziel, dem Ultramarathon, gemacht? Zu den drei Learnings meiner Laufjahre 2020 und 2021 gehören …
Laufen aus Freude
Ursprünglich, und damit meine ich vor der Pandemie, plante ich für das Laufjahr 2020 die Teilnahme am Oberelbe-Marathon am 26.04.2020. Zu Jahresbeginn lief ich drei Mal pro Woche ganz nach Gefühl. Am 04.02.2020 startete mein Marathon-Trainingsplan für eine Zielzeit von 3:59:00 mit fünf Läufen pro Woche.
Alles lief prima, doch dann nahmen die Infektionszahlen weltweit stark zu. Mich betraf die Entwicklung direkt in der Schule. Am 13.03.2020 wurden die Schulen in Halle (Saale) geschlossen, zunächst für 14 Tage. Am Ende sollten daraus zwei Monate werden.
Die Absage des Oberelbe-Marathons folgte direkt am 17.03.2020. Ein paar Tage später kam dann die Absage des GutsMuths-Rennsteiglaufes, der am 16.05.2020 fest eingeplant war. Mit der zweiten Absage und der allgemeinen Entwicklung der Corona-Situation im Hinterkopf entschied ich mich, meinen Marathon-Trainingsplan zu beenden.
Stattdessen lief ich aus Freude am Laufen und auch aus Mangel an Alternativen. Alle Fitnessstudios und Sportstätten waren geschlossen. Ich lief allein oder mit Freunden – natürlich immer nur nach Vorschrift. An manchen Tagen rannte ich sogar zwei Mal pro Tag. Bei herrlichem Frühlingswetter und der freieren Zeiteinteilung im Homeoffice war das ohne Probleme möglich. Ich genoss die Zeit, das draußen in der Natur sein, mit dem Wissen, dass nichts selbstverständlich ist.
Bewegung und Natur halfen mir enorm, mit der neuen Situation klarzukommen, für mich richtig einzuordnen und angemessen darauf zu reagieren. Die Freude am Bewegen stand im Mittelpunkt. Die erzwungene Wettkampfpause nahm mir allen Druck, den ich zuvor überhaupt nicht wahrgenommen hatte.
Ich fragte mich, warum ich überhaupt laufe. Was ist mein Motiv, mein Antreiber? Ich gewann Klarheit über mein Warum. Die Antwort war simpel. Ich möchte mich bewegen! Zwei Motive begleiten mich dabei:
Das Gesundheitsmotiv
Ich möchte fit sein, meine Gesundheit erhalten, mich in meinem Körper wohlfühlen. Mir ist meine psychische Gesundheit wichtig. Laufen und Bewegung im Allgemeinen ermöglicht mir das einen Ausgleich zum oder eine Balance im Alltag. Hin und wieder packt es mich und ich muss mich messen.
Das persönliche Motiv
Ich erkannt in diesem Jahr, dass es mir kaum um das Leistungsmotiv beim Laufen im Sinne von Wettkampf, Selbstwert, Anerkennung oder Sinngebung geht. Meine empfundene Leistungsbezogenheit richtet sich nur auf die persönliche Zielerreichung. Ich gehe gern neuen Ideen und Projekten nach, setze mir Ziele und arbeite an deren Verwirklichung. Aber eben für mich persönlich.
Möchte ich den Marathon in 3:59:00 laufen? Klar, auf jeden Fall! Aber nicht um schneller als andere Läufer*innen zu sein, sondern ich laufe gegen mich, gegen meine vergangenen Leistungen. Ich entscheide, ob ich Lust darauf habe, gegen mich anzutreten oder lieber „nur“ aus Freude an der Bewegung laufe. So gibt es Phasen, in denen ich mit einem Trainingsplan auf ein Laufziel hinarbeite und es gibt Phasen, in denen ich ganz nach Gefühl laufe und mich treiben lassen.
Ohne Gesundheit läuft nichts
Mit dem ersten Lockdown im März 2020 brachen meine alltäglichen Routinen fast vollständig weg. Im Beruf als Lehrerin bin ich es gewöhnt, viel zu Hause zu arbeiten. Doch den Unterricht für die Schüler:innen von zu Hause aus zu gestalten, stellte zu Beginn eine große Herausforderung dar. Hinzu kam die Schließung aller Sportstätten, der Läden und Restaurants. Die ständige Ungewissheit der Dauer der Maßnahmen führte bei mir dazu, dass ich von Tag zu Tag geplant habe.
Das Laufen half mir, meine Tage zu strukturieren und ins Tun zu kommen. Doch es kam, wie ich es eigentlich hätte vorhersagen können. Das tägliche Laufpensum über zwei Monate hinweg führte (nicht ohne Vorwarnung) zu einer Verletzung – dem Schienbeinkantensyndrom. Falls du selbst davon betroffen warst, kennst du die Symptome, die hier kurz beschrieben sind.
Das Schienbeinkantensyndrom, auch Shin Splints oder mediales tibiales Stress- Syndrom äußert sich durch dumpfe oder stechende Schmerzen an der Schienbeinkante. Die Reizung befindet sich am Muskelansatz sowie an der Sehne des hinteren Scheinbeinmuskels. Durch wiederholte, andauernde Belastungen entsteht aus der Reizung eine Entzündung. Besonders Läufer, aber auch Tänzer und Wanderer, betrifft die Sportverletzung. Die häufigste Ursache ist eine Überbelastung durch zu intensives Training. Ignorierst du das Warnsignal, kann der Schmerz chronisch werden und zum Stressbruch führen. Zwei Arten könnenunterschieden werden:
Medial, bei dem der Schmerz auf der Innenseite des Schienbeins vom Knöchel bis unters Knie ausstrahlt.
Lateral, bei dem der Schmerz durch erhöhten Druck in einer Gruppe funktionell zusammengehöriger Muskeln entsteht.
Ich hatte die mediale Variante. Hier kann ich schon einmal sagen, dass es nicht die beste Idee ist, den Schmerz über längere Zeit konsequent zu ignorieren. Denn das Fazit war … Laufpause bzw. Laufverbot. Es folgten Physiotherapie, Sportarztbesuche, MRT, Stoßwellenbehandlung und Magnetfeldtherapie. Die Heilung ging nur in kleinen Schritten voran. Meine Geduld ist nicht die beste! Die zwei Monate sollten zu einer echten Herausforderung werden.
In der Zeit fuhr ich viel Rad und widmete mich dem Oberkörpertraining. Das mit der Verletzung machte auch irgendwie Sinn. So konnte ich den Fokus auf meine Schwachstellen richten und musste an sie ran.
Mein erster Lauf am 18.07.2020 führte mich 2 Kilometer durch mein Wohnviertel. Und das war´s! Nur ganz langsam tastete ich mich wieder an das Laufen heran. Mit einem 10-wöchigen Wiedereinstiegsprogramm gelang es mir ohne erneute Rückschläge oder Verletzungen.
Der erneute Lockdown im November brachte mir berufsbedingt zwei Quarantänen ein. Wieder musste ich mich auf eine neue Situation einstellen. Ich hielt mich mit Homeworkouts per App körperlich und mental fit. Eine neue Erfahrung, die das anschließende Laufen draußen an der frischen Luft umso schöner machte.
Mir wurde in diesem Jahr bewusst, welches Privileg es ist, laufen zu können. Doch ich erkannte auch, dass Alternativen zum Laufen bereichernd sind und ich die Offenheit für andere Aktivitäten nicht bereut habe. So viele wunderbare Erlebnisse und Momente verbinde ich mit diesem verrückten Jahr.
Wenn alles anders läuft
Nach den Absagen der offiziellen Laufveranstaltungen aufgrund der Corona Pandemie entdeckte ein Freund von mir im Internet RunTheLake – eine individuelle Lauf-Challenge, die 2020 ins Leben gerufen wurde. Die Startregion ist das Leipziger Neuseenland mit 7 Seen. Im Zeitraum vom 01.04.2020 bis 31.10.2020 konnte man selber bestimmen, wann man um die Seen läuft und welchen RunTheLake-Status man am Ende erreicht. Ohne großes Überlegen meldeten wir uns für die Challenge an. Sie kam uns wie gerufen. Und so umkreiselten wir im Mai 2020 den Auensee, den Schladitzer See, den Kulkwitzer See und den Markkleeberger See. Im Sommer kam meine Verletzungspause wegen des Schienbeinkantensyndroms dazwischen und so ging es für uns erst im September mit dem Cospudener See weiter. Der Oktober stellte uns noch einmal auf die Probe, da die beiden längsten Seen mit über 20 Kilometern noch zu umrunden waren. Dabei liefen wir um den Störmthaler See und mit einer Punktlandung am letzten Tag der Challenge fiel noch der Zwenkauer See. Wir beendeten die Challenge als Gold-Finisher mit einer Gesamtzahl von 7 Seen und 81,7 Kilometern.

Im Frühjahr 2021 bewegte ich mich ständig zwischen Laufverschiebungen, Laufabsagen und Laufhoffnungen. Bald war klar, dass auf unbestimmte Zeit keine Laufveranstaltungen mehr stattfinden. Ich fand mich damit ab und lief einfach aus Spaß an der Freude. Die ständig wechselnde Lage der Pandemie erforderte große Flexibilität, auch im Training. So bin ich mit meinem Mann in diesem Jahr viel in Österreich, Thüringen und im Harz gewandert, mit Freunden Rad gefahren und habe mich im Krafttraining wieder mehr meinem Oberkörper gewidmet.
Im Oktober nahm ich am virtuellen Schinder Trail „Rote Blätter“ teil, bei dem 3 Läufe von 5, 10 und 15 Kilometer in einem festgelegten Zeitfenster gelaufen wurden. Mit dem Kinderherzen-Lauf, einem Spendenlauf zugunsten herzkranker Kinder, ging auch dieses besondere (Lauf-)Jahr zu Ende.